Die Dickmanns stehen morgens auf. Während man sich im Bad abwechselt, denn die Zeit drängt, bereitet einer der beiden das Frühstück vor.
Es ist Montagmorgen, vom Sonntag sind noch Brötchen da, die mit Margarine und Marmelade gegessen werden.
Heute verkneift sich Frau Dickmanns die Nuss – Nougat Creme, weil davon gestern schon einiges genossen wurde… Für die Verdauung und wegen der Ballaststoffe gibt`s noch ein Müsli mit Magermilch und ein großes Glas Orangensaft nach dem Latte Macchiato mit Süßstoff.
Man fährt zusammen im Auto zur Arbeit, ins eigene Büro, es ist 8 Uhr. Herr Dickmanns hat schlecht geschlafen, es war das Sonntagabend- Bierchen zu viel; außerdem der aufregende Tatort, das späte Abendessen beim Italiener. Im Büro angekommen, geht es an den Schreibtisch, den beide bis ca. 13. Uhr nicht mehr verlassen werden.
Inzwischen sind die vielen Kohlenhydrate vom Frühstück schon fast wieder verschwunden – nachdem sie vom Dünndarm in Zucker zerlegt wurden und durch die Darmwand in den Blutkreislauf gelangten, beeilt sich die Bauchspeicheldrüse, genügend Insulin in ihren Betazellen zu produzieren und loszuschicken. Der Zucker schwimmt jetzt im Blut herum und ist zwar ein lebenswichtiger Energielieferant, aber hat ebenso großes „Verklebungspotential“, ganz besonders für die winzigen Blutgefäße, zum Beispiel in den Nieren.
In letzter Zeit muss sich die Bauchspeicheldrüse immer mehr anstrengen, denn es kommt immer häufiger vor, daß sich dieser verdammte Zucker nicht in die Zellen transportieren läßt.
Herr Dickmanns hat einige Speckpolster zugelegt und die sind völlig taub, wenn es darum geht, den Zucker aufzunehmen.
Nur mit noch mehr Insulin klappt das überhaupt noch; wie lange man das noch durchhält, muss sich die Bauchspeicheldrüse ernsthaft fragen. Vor zwei Jahren ging das noch mit fünf Einheiten Insulin, jetzt sind es acht!
Die Muskeln und die Leber sind ebenfalls voll, also der Zucker muss jetzt dringend aus dem Blut gefegt werden – aber puh, das hat wieder geklappt, obwohl nur das Gehirn wirklich gerade viel Energie braucht, alle Muskeln ruhen seit zwei Stunden. Mit einem großen Aufgebot an Insulin gelingt das Vorhaben; alles weg, Blut ist bis auf das nötige Mindestmaß „zuckerfrei“ – prima.
Was nicht in die Speicher passt, wird in Fett verwandelt.
Die Bauchspeicheldrüse ist erschöpft und hofft auf eine Pause. Während eines kleinen Nickerchens träumt sie von ihrer Urururururururururururururururur – Oma. Die lebte in einem Steinzeitmenschen. Der rannte den ganzen Tag rum, fror und hatte ständig Hunger. Seine Frau sammelte im Sommer bei jeder Gelegenheit Früchte (ein Fest!!) und Wurzeln – alles was an Pflanzen genießbar war. Die Familie bemühte sich ab Herbst, ein Fettpolster anzufuttern, das ging am besten mit diesen Süßigkeiten in pflanzenform, und mit wirklich viel Essen, was oft sehr schwierig war.
Dafür hatten sie ihr Unterhautfettgewebe, das war der ideale Fettspeicher, der hoffentlich über die kalte Zeit helfen würde! Der Steinzeitmann und sein Schwager plünderten auch manchmal ein Bienennest; das war kein Vergnügen, die Stiche taten noch lange weh, aber was für ein Genuss – die ganze Family war stundenlang im Honigtaumel; der extrem süße Honig machte „high“ und fast schon süchtig, sonst würden die Steinzeitmänner den gefährlichen Raub nicht auf sich nehmen!
Für den großen Hunger aß man lieber alles was kreucht und fleucht, fing Fische und jagte natürlich bis zur Erschöpfung, das war sehr anstrengend und oft auch nicht erfolgreich.
Uururoma Bauchspeicheldrüse hatte natürlich auch schon vor 20.000 Jahren die Aufgabe, den Zucker aus dem Blut zu holen und flugs in die gut ausgebildeten Muskeln zu transportieren – aber damals war das ein Klacks, denn es kam nur sehr wenig Zucker an.
Deshalb hatte sie auch nur das eine Hormon, das Insulin, um den Blutzuckerspiegel zu senken, denn viel wichtiger war es damals, diesen mal ganz schnell zwecks Energiebereitstellung zu erhöhen, falls es zu Raufereien oder Flucht kommen musste…dafür gab es gleich mehrere Substanzen: Glukagon stellte sie selbst her, doch der Körper hatte auch noch das Adrenalin und das Cortisol für den schnellen Zuckeranstieg.
Nur bei einem Überangebot an Süßem aus Wurzeln, Früchten und Ur-Gemüse und den Samen der Gräser und Bäume setzte die Steinzeit – Family auch Fett an. Was nicht mehr in Leber und Muskel gespeichert werden konnte, ging als Fett ins Gewebe. Damit kam man hoffentlich über den Winter.
Und genau so ist es auch heute noch – sehen wir weiter bei den Dickmanns:
Es kommt jetzt zum Vormittagsloch im Bauch – einem schnellen Abfall des Blutzuckers. Das süße Frühstück verlangt nach viel Insulin, also strengt sich die Bauchspeicheldrüse ganz besonders an, schickt sehr viel Insulin ins Blut, bis der angefallene Zucker in die Zellen gewandert ist, oder die Fettpolster vergrößert hat.
Herr Dickmanns wird müde, seiner Frau eher schwindelig auf dem Weg zum Kopierer. So ein doofer kleiner Hunger stellt sich ein. Bis Mittag sind es noch zwei Stunden.
„Tell me why I don`t like Mondays“ diese Liedzeile fällt Herrn Dickmanns gerade ein, während er die Schreibtischublade öffnet und sich ein kleines Schokolädchen nimmt. Seine Frau bleibt noch bis halb 12 standhaft, dann ist es das Erdbeer – Magermilchjoghurt im 500 Gramm Glas, das sie halb leer ißt. Das war aber jetzt süß!
Der Vormittag geht vorbei, mit Telefonaten, einem Meeting und recht viel Stress, der bei Frau Dickmanns zu einigen Hitzewallungen führt, während ihr Mann sich still ärgert.
Die einzige Bewegung der beiden am Vormittag besteht aus dem Gang zur Toilette ( die Verdauung war auch schon mal besser ) und dann über die Straße zum Mittagessen.
Heute muss es schnell gehen, man isst kalt beim Bäcker.
Der Magen brummt schon sehr, die Salate in der Kühltheke sehen gut aus, aber das ist einfach nicht das richtige Essen, wenn man so müde ist und diese Lust auf Gebackenes hat. Beide holen sich ihr Lieblingsbaguette, mit Schinken und Käse plus so einer leckeren Remouladensauce, was Würziges. Dazu eine Apfelsaftschorle und eine Cola –Light. Man braucht noch Nervennahrung für den Nachmittag.
Der Nachmittag kommt dann auch, die Luft im Büro ist leicht verbraucht, Frau Dickmanns friert so schnell; deswegen ist Lüften auch sehr unbeliebt.
Draußen wird es schon langsam wieder dunkel, und beide freuen sich auf den Feierabend. Um 16 Uhr noch ein paar Gespräche, es haben sich Kunden angemeldet. Eine Mitarbeiterin bietet was vom mitgebrachten Kuchen an, gern nehmen beide was davon – irgendwie braucht man noch ein bisschen Power für die letzten zwei Stunden…
Gegen 18 Uhr sitzen die Dickmanns wieder im Auto und sind auf dem Heimweg. Es kommt ein Anruf von einem Bekannten: „Hallo Gerd, ich steh` schon vor der Halle, kommste noch?“ „Nö Klaus, ein andermal; ich schaffs heut nicht mehr“. Das war ein alter Kumpel von Herrn Dickmanns, mit dem er früher immer zum Sqash gegangen ist. Der versuchte seit einigen Wochen, ihn wieder zum Mitspielen zu bewegen. Herr Dickmanns war auch einmal dort und kam völlig erledigt nach Hause. Seine Knie taten noch tagelang weh. Nach dieser kurzen Exkursion in die Fitnesswelt war er eigentlich wieder davon abgekommen.
Der Hausarzt hatte neulich zwar dringend zum Abnehmen von mindestens 15 kg geraten,deshalb wollte Herr Dickmanns demnächst mit dem Joggen beginnen. Die 105 kg mußten endlich mal bei den Hörnern gepackt werden!
Seine Frau schaffte es einmal pro Woche zum Yoga zu gehen. Sie fand ihre Beweglichkeit eigentlich gut; außerdem wurde sie von ihren Freundinnen um die dünnen Beine und Arme beneidet. Sie konnte wirklich fast alles tragen. Wenn sie günstig angezogen war, sah man das kleine Kugelbäuchlein auch nicht. Die Yogalehrerin erklärte in der Gruppe, wie wichtig auch ein gewisser Muskelanteil sei – aber davon hatte sie ja wohl genügend, sonst wäre sie ja dick…
Beide sind froh, den Montag hinter sich zu haben. Da man heute gar nicht zu Einkaufen gekommen ist und die Reste vom Wochenende auch nicht so attraktiv, entschließt man sich, nochmal beim Italiener zu essen.
Für Herrn Dickmanns die Scaloppine al Vino Bianco mit Pasta („ Salvatore, die Gemüsebeilage lasst heut` bitte mal weg – schaff ich nicht, aber macht nicht so viel Soße drüber, Grazie“), für seine Frau eine vegetarische Pizza mit Beilagensalat.
Pünktlich um 20 Uhr sitzt man vor der Tagesschau…und da man die Dessertkarte gar nicht angeschaut hatte, gibt’s noch eine Tüte Gummibärchen, die sind ja fettfrei.
Hätten beide einen Schrittzähler installiert, wäre die Gehstrecke an diesem Tag unter 500 m gewesen.
Soweit zu den Dickmanns. Sicherlich sieht nicht jeder Tag so aus. Ich kann jedoch auch eigener Erfahrung sagen, wenn man sich müde und schlapp fühlt, ist es ganz schwer, sich „gesund“ zu ernähren.
Im Falle der Dickmanns kann man ja auch sehen: Beide arbeiten, sind den ganzen Tag außer Haus und oft muss es einfach schnell gehen. Und die schnellen Lebensmittel sind einfach überall und jederzeit erhältlich. Es braucht schon etwas Motivation und Organisation, aus dem Imbiss – an- der – Ecke – Verhalten auszubrechen und zu einer artgerechten Ernährung zu kommen.
Das Auf und Ab des Blutzuckerspiegels ist der Dreh-und Angelpunkt bei vielen Menschen. Hier entsteht der Heißhunger und das Energieloch am Vormittag ( Wer erinnert sich noch an die Knoppers- Werbung: „Es ist halb zehn in Deutschland – Knoppers, das Frühstückchen“
Um aus dieser Falle rauszukommen
braucht es ausreichend Schlaf, ein mehr Bewegung während des Tages, auch bereits morgens, eine Ernährungsumstellung in Richtung Low Carb, mit mehr Fett als Energielieferant, sowie mehr Ballaststoffe im Essen durch viel Gemüse.
Außerdem: Frische Luft, Sonne, Entspannungstechniken ….das klingt nach einem Riesenprogramm. Aber warum nicht einfach mal ausprobieren? Vier Wochen täglich wesentlich mehr Gemüse essen, zwei mal die Woche Fisch oder Fleisch, keine hochverarbeiteten Wurstwaren und Fertigprodukte.
Und täglich ein kleines Bewegungsprogramm, das man auch im Büro machen kann. Nach den vier Wochen kann man immer noch entscheiden, wie man weitermachen kann und will.
Ihre Stefanie Kunze
Bild: ©LillyCantabile/Pixabay